Rückwärtsgehen – Rückblick – Methodik – Reflexion – Optimierung – Ausblick ….

Dieser Blogartikel ist nur scheinbar der erste nach einer langen Pause – in meinem Entwurfsordner schlummern diverse in der Zwischenzeit entstandene Beiträge, die noch nicht die richtige Gelegenheit gefunden haben, um veröffentlicht zu werden. Heute hat es sich bei der Planung einer neuen #WatchingSmutje Folge ergeben, dass ich meine eigene Entwicklung bezüglich der Rückwärtsbewegung habe Revue passieren lassen und die Gedanken dazu möchte ich gerne spontan hier ergänzen und teilen.

Meine Hunde lernen grundsätzlich verschiedene Aufbauvarianten für einzelne Aufgaben und Bewegungen kennen und auf meiner Facebook-Seite gibt es dazu auch gerade zwei Videos aus der Arbeit mit der Pylonen – Linie, eines von Morlyn und eines von Smutje.

Grundidee dieser Übung: der Hund bekommt vermittelt, dass er den Platz zwischen den Pylonen aufsuchen soll und wird auch dort bestätigt – dann wird er nach vorne aus dem Pylonenzwischenraum heraus bewegt und wenn er sich rückwärts richtet, um den zuvor verstärkten Ort wieder aufzusuchen, wird auch dies verstärkt. Diesen Aufbau nutze ich gerne, wenn ich einem Hund die Idee, dass man auch in einem Trainingskontext rückwärtsgehen kann vermitteln möchte.

Dabei ist es hilfreich, wenn man den Hund zu beginn vermehrt zwischen den beiden Pylonen belohnt, so dass ihm auffällt, dass es sich lohnt in diese Position zu gehen. Zu Beginn locke ich nur ganz wenig nach vorne, belohne auch bei mir und hoffe, dass der Hund sich dann von sich aus wieder in die deutlich mehr verstärkte Position begibt.

So die knappe Beschreibung dieser Idee… aber schauen wir mal ein paar Jahre zurück …

Rückblick

ich bin mittlerweile in einem Alter, wo man durchaus daran denken darf, wie lange es her ist, dass man Übungsziele im allgemeinen Aufbau zugunsten der Gesundheit verändert hat und meine Mitstreiter aus den 90er Jahren ( wenn ich jetzt noch “des letzten Jahrhunderts“ schreibe, wird es bezüglich des Alters nicht besser, oder?) – damals noch vermehrt im Pferdebereich, wissen noch wie wir die Rückwärtsbewegungen optimiert und vor allem körperlich unterstützt haben. Wir haben monatelang beobachtet, analysiert, ausprobiert, geändert, angepasst und trainiert. Und jeder dieser einzelnen Schritte war wichtig und ist Teil der heutigen Erfahrung. Kennt ihr diesen Gedanken, dass man bei einem solchen Rückblick merkt, welche einzelnen Schritte man mit dem heutigen Wissen nun alles weglassen könnte? Was die Auseinandersetzung mit den Rückwärtsbewegungen betrifft, wäre ich heute nicht so sicher in der Analyse, wenn ich damals weniger Zeit investiert hätte.

Mit Beginn meiner späteren therapeutischen und sportphysiotherapeutischen Arbeit mit Hunden begann die Transferleistung und Adaption an ein anderes Lebewesen und somit auch an andere Bewegungsstrukturen. der Hund bewegt sich nicht gänzlich anders, als das Pferd und doch gibt es einige Kleinigkeiten, die angepasst werden müssen. Das Pferd setzt z.B. seine Hufe ganz anders auf als der Hund seine Pfoten. Damals noch recht strikt in der Aussage „so möchte ich das nicht“ wurde zunächst an „Methodik“ aussortiert, was zu gesundheitlich ungünstigen Bewegungen führte und das behalten, was in die von mir gewünschten Bewegungen hinein führte.

Auch wenn ich schon zu diesem Zeitpunkt immer wieder auf die Notwendigkeit der individuellen Anpassung hingewiesen habe was einige Variationen ergeben hat, ist das Trainingsrepertoire deutlich eingeschränkt worden. 

Aber – in der Beobachtung und Analyse einer Vielzahl von Teams war es sehr gut heraus zu filtern, was Bestand haben sollte und was in die ungesunden Richtungen führte. Das was an Ideen übrig blieb, konnte dann im Laufe der Zeit optimiert und variabel anpassbar an die jeweiligen Besonderheiten des einzelnen Hundes gemacht werden.

Anmerkung: Zwei Probleme haben sich allerdings sehr lange gehalten: die Position des Menschen und die Distanz zum Menschen haben sich nachhaltig auf die Ausführung der beigebrachten Schritte ausgewirkt und eine Änderung der maximalen Schrittzahl und die Veränderung der Position (z.B. aus dem Sitzen zum Stehen) hat zusätzliche Zeit gekostet. Habe ich in der Ideevermittlung zu lange gebraucht und zu viele Wiederholungen gemacht, wurde es noch schwerer.

Methodik

Das was mir geeignet erschien unterteilte sich in drei Trainingsbereiche:

  1. die Vermittlung der Bewegungsidee unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Anforderungen an die Bewegung
  2. die Optimierung der einzelnen Bewegungsanteile der Rückwärtsbewegung
  3. die Festigung des gewünschten Bewegungsbildes unter gesundheitlichen Aspekten

Die Grundeinteilung ist bis heute identisch geblieben und auch die Ansprüche an eine gesunde Bewegung haben sich nicht verändert:

GRUNDSÄTZLICH – baue ich die Bewegung aus der Vorwärtsbewegung heraus auf und teile die Bewegung in einzelne Bestandteile auf – so wie es auch im therapeutischen Anspruch und in der Microtherapie und im Microtraining sinnvoll ist. In der Ideevermittlung wurden alle Varianten genutzt, welche den Hund nicht von vorne herein negativ in seinen Bewegungen oder Körperhaltungen beeinflusst hat – das Repertoire was geblieben war findet ihr auch noch in meinem Onlinekurs zum Rückwärtsgehen – Hilfsmittel wie diverse Targets und Futterpositionen werden auf verschiedene Art und Weise genutzt und besteht die Möglichkeit Auszuprobieren was für den eigenen Hund am besten geeignet ist.

In der Optimierung, welche ebenfalls im Kurs enthalten ist, wurden weitere Geräte genutzt, z.B. meine Gassenarbeit. Diese kann bei Bedarf mit Podesten und z.B. auch Cavallettistangen ergänzt werden, um die vermittelte Bewegungsidee auch im einzelnen zu optimieren.

Daran hat sich auch in den letzten Jahren nichts geändert: der Hund wird genauso wie die Pferde damals beobachtet und es wird ermittelt an welchen Stellen der Rückwärtsbewegung er Unterstützung oder Veränderungen benötigt und dann werden die entsprechenden Aufbauten ins Training geholt, um die Rückwärtsbewegung zu gesund wie möglich ausführen zu lassen.

  • Braucht der Hund mehr Trittweite?
  • Beugt er die Gelenke ausreichend?
  • Kann er sich vorne und hinten gleichmäßig bewegen?
  • Mit welchen Pfoten beweget er sich zuerst?
  • Ist die Kopfhaltung passend?
  • Bewegt sich der Rücken frei?
  • Wie sieht die Rückenlinie aus?
  • Ist die Hinterhand aufrecht, aber nicht verspannt?
  • Wie wird das Becken kontrolliert?
  • Sind die Bewegungen gerade?

Das sind einige Fragen, die mit darüber entscheiden welche Trainingsschritte und Hilfsmittel genutzt werden sollten…

Reflexion

Die oben stehende dreiteilige Aufteilung hat mir in meiner Arbeit sehr viel Effektivität und Nutzen gebracht – der Grundaufbau war durch weniger Bewegungsprobleme begleitet und die Korrekturen von ungesunden Bewegungen wurde immer einfacher. Der Ablauf benötigte aber eine Menge Zeit und viele, viele Wiederholungen in den ersten beiden Phasen und nicht erst in der letzten Phase der Festigung.

Dadurch, dass ich für mich von vorne herein die Methoden abgelehnt habe, die aus den Beobachtungen heraus zu den meisten ungesunden Bewegungsmustern geführt haben, wurde zwar die Vermittlung risikoärmer und es gab weniger Warnhinweise innerhalb der Übungen. Trotzdem gab es Varianten (wie z.B. den Grundaufbau über ein reines „Rückwärts-Target“) die ich im trainerischen Kontext komplett ablehne (was nicht heisst, dass der Target in der physiotheraeputischen Korrektur von Bewegungen nicht Sinn machen kann!).

Im Optimieren der Einzelbewegung gab und gibt es sehr detaillierte Möglichkeiten Einfluss auf die Bewegung zu nehmen, was definitiv auch in der Korrektur der Bewegungen essentiell ist. Die Wahl des Zubehörs wurde und wird individuell angepasst, das hat sich nicht geändert.

Und nach wie vor wird genau entschieden, wie die Übung letztendlich ausgeführt wird und wie oft diese wiederholt werden sollte. Nachlässigkeit in der Ausführung und Ermüdung sind die größten Gegner der gezielten Bewegungsschulung, so dass man sich der Stärken und Schwächen des Hundes bewusst sein sollte.

Stange ist nicht gleich Stange, Pad nicht gleich Pad – was soll der Hund tun? Wo unterstütze ich? Wo aktiviere ich? Wie oft wiederhole ich die Übung und vor allem: Was verstärke ich und was nicht?

Alles Überlegungen die wichtig in der Optimierung und Korrektur der Bewegung sind – es nützt mir wenig, wenn ich ein Pad oder eine Stange sehe und eine Übung nachtrainiert, die ich bei einem anderen Hund gesehen habe, wenn diese nicht zu den Bedürfnissen des Hundes passt.

Optimierung der eigenen Arbeit

Heute muss ich ganz klar sagen: meine mittlerweile zur Verfügung stehende Palette der für den Hund sinnvollen und gesundheitlich passenden Aufbauvariationen ist unglaublich groß geworden. Ich sortiere deutlich weniger aus – einfach weil es nicht mehr nötig ist. Es gibt immer noch Aufbauvarianten, die ich aufgrund der Umsetzung für die Rückwärtsbewegungen ablehne, aber ich nutze deutlich mehr, als vor ein paar Jahren.

Ohne es im Verlauf bemerkt zu haben, variiere ich mittlerweile in der Auswahl der Methoden für jeden einzelnen Hund viel mehr und verknüpfe in verschiedenen kleinen Trainingseinheiten das, was gerade benötigt wird.

Mein Anspruch ist aktuell nicht mehr die beste Methode für den einzelnen Hund zu finden, sondern punktuell die beste Auswahl an Trainingsschritten für den einzelnen Hund, das Team und die Gesamtsituation nutzen zu können. In der Arbeit mit meinen sehr unterschiedlichen Hunden gibt es viel Raum dies weiter zu verbessern.

Das was ich heute nutze oder ablehne ist je nach Fachbereich unterschiedlich – aus therapeutischer Sicht gehört die Arbeit mit dem Pads als Rückwärtsziel z.B. in Einzelfällen durchaus dazu, im trainerischen lehne ich die nach wie vor ab, weil es für die ersten Schritte meiner Erfahrung nach einfach effektivere und gesündere Methoden gibt.

Ausblick

Das spannende für mich: die Wiederholungen zu Beginn, also in Phase 1 – werden aktuell immer weniger, die Wechsel zwischen den Trainingsschritten geschehen schneller –  und Dank der trainerischen Kompetenz von @bjoern tigges und dem möglichen direkten fachlichen Austausch, wird der Weg im Aufbau einzelner Bewegungen gradliniger und effektiver… 

Aktuell mag ich diese Entwicklung in meiner Arbeit und ich bin gespannt, wie es in der nächsten Zeit weiter geht.…für alle diejenigen, die auch so Bewegungsspezifisch arbeiten oder arbeiten möchten: die Rückwärtsbewegungen sind auch Teil unserer neuen Ausbildung ….

Das Fazit dieses Beitrages gibt meine Meinung wieder:

Ich bin sicher es bleibt im eigenen Training auch in Zukunft genug Raum für Trainingsfehler, Planänderungen und jede Menge Reflexion 😀…

… aber was den Aufbau und die Korrektur im Rahmen meiner sportphysiotherapeutischen Arbeit als Therapeut und Dozentin betrifft kann ich hier und jetzt ganz klar sagen:

es geht nicht darum, die EINE gute Methode für das Rückwärtsgehen zu bevorzugen bzw. hervorzuheben oder möglichst viele zu beherrschen…

im effektiven gesunderhaltenden Bewegungstraining geht es vielmehr darum sich nicht selbst durch Einschränkungen zu blockieren, in dem man daran arbeitet, eine möglichst umfassende Auswahl an Techniken und Varianten zur Verfügung zu haben und zu Lernen, wann und wie man auf welche dieser Möglichkeiten zurückgreifen sollte.

Ergänzend:

Es bleibt dabei: jedes Video und jedes Foto sind nur ein kleiner Einblick in eine komplexe Trainingssituation und es gibt immer ein „Davor“, ein „Danach“ und jede Menge Entscheidungen und Fragen und so verlinke ich Euch hier einen Facebookbeitrag, der einen Trainingsschritt mit meiner jungen Hündin zeigt, der so nicht weiter verfolgt werden sollte.

Alle Beiträge und erstellten und gezeigten Videos dürfen gerne geteilt werden, aber behaltet im Kopf dass ich nach dem unten stehenden Prinzip arbeite – meine Beiträge können keine Kopiervorlage für eure eigene Arbeit sein, aber ich freue mich, wenn ihr sie anschaut, darüber nachdenkt und das was ihr heraus ziehen könnt für Euch passend modifizieren und sinnvoll nutzen könnt!

In diesem Sinne…

Habt eine gute Zeit und genießt die gemeinsame Arbeit mit euren Hunden – vielleicht sehen wir uns ja mal in einem Seminar oder bei einem meiner Vorträge…

Da ich mich direkt zu Beginn auf die – bei Facebook zu findende. #WatchingSmutje- Serie beziehe, verlinke ich diese hier auch für Euch – klickt einfach auf ihr Bild

Alles zu den Rückwärtsbewegungen ist in Staffel 2 gesammelt – Smutje ist behindert und zeigt aufgrund neurologischer Störungen kein normales Trainings und Bewegungsbild – hier ist es besonders wichtig, die Übungen nicht zu kopieren.

Der Blogbeitrag zum Rückwärtsgehen von November 2019 ist hier zu finden…

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